Giuliani pop

GITARRE & LAUTE ONLINE: Beiträge zu Neuerscheinungen (Notenausgaben, Bücher, CDs) auf den Gebieten Gitarre und/oder Laute, Berichte über Konzerte, Festivals und Wettbewerbe, Essays und Kommentare. Verschiedene Autoren, Chefredakteur (Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes): Dr. Peter Päffgen.

Mit Viren haben wir es seit ein paar Monaten zu tun. Wir alle! Allerdings kümmern sich  um die Viren, von denen wir jetzt berichten, keine Virologen oder Infektologen, sondern Informatiker und Computer-Nerds. Es geht um Computer-Viren und von solchen sind wir heimgesucht worden. Nicht nur wir!

Wir haben sie jetzt weitgehend im Griff, die Viren, und wir können davon ausgehen, dass Sie ab sofort wieder neue Beiträge auf unseren Seiten www.gitarre-und-laute.de und www.PeterPaeffgen.com lesen können. Wir entschuldigen uns für die Sendepause … obwohl wir das eigentlich nicht müssten, denn schließlich erhalten Sie neue Rezensionen und weitere Beiträge völlig kostenlos und freiwillig. Aber wir wissen, dass viele Leser auf neue Beiträge warten! Ab sofort werden die Online-Zeitschriften vom Verlag Dr. Peter Päffgen wieder regelmäßig aktualisiert!

Beste Grüße
Peter Päffgen

Stolen Roses
Xavier Díaz-Latorre, Latorre
Werke von von Biber, Bach, Telemann, von Westhoff, Weiss
Aufgenommen im November 2016, erschienen
℗2017
Laute: Grant Tomlinson, Vancouver, 1989
PASSACAILLE 1030, im Vertrieb von Note1
… Diebstahl kann sich gelegentlich lohnen – und gestohlene Rosen duften besonders süß …

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DIAZ LatorreXavier Díaz-Latorre spielt ein eher ungewöhnliches Programm, eines, das keine Programmstandards enthält oder – sagen wir – nicht nur aus Programmstandards besteht. Gut, Bach und Weiss, das sind gängige Namen … aber Biber, Telemann oder gar Johann Paul von Westhoff? Letzteren kennen nur Spezialisten … für Geige und Geigenmusik des Barock, aber keineswegs für Lautenmusik. Als Lebensdaten sind 1656–1705 im Booklet angegeben. Folker Göthel hat in der „alten MGG“ geschrieben: „Johann Paul von Westhoff (nach WaltherL) geb. 1656 in Dresden, gest. 14. oder 15. Apr. 1705 in Weimar. Westhoff war der Sohn des Kammermusikus Friedrich von Westhoff (1611–1694), der aus Lübeck gestammt haben soll, schwed. Rittmeister gewesen war und nach dem 30jähr. Krieg ein Unterkommen in der Dresdner Hofkapelle gefunden hatte. Johann Paul von Westhoff erhielt eine sorgfältige Erziehung und konnte auf Grund besonderer Sprachbegabung bereits 1671 Informator der Prinzen Johann Georg und Friedrich August werden. 1674 trat er als Violinist in die Dresdner Hofkapelle ein, der er mit einer von 200 auf 300 Talern aufsteigenden Besoldung bis 1697 angehörte.“

Federico Moreno Torroba: Complete Music for Solo Guitar & Guitar Quartets
Angelo Colone, Guitar und (in den Quartetten) Massimo de Lorenzi, Andrea Pace, Cristiano Policappelli
Aufgenommen zwischen 2016 und 2019, erschienen ℗ 2019
Gitarren von Alfonso Savastani, Mario Rosazza Ferraris, José Ramirez
5 CDs, BRILLIANT CLASSICS 95343
… Außerdem können auch Interpretationen „berechtigt aber nicht notwendig“ sein …

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Durch Andrés Segovia ist Federico Moreno Torroba (FMT) an die Gitarre gekommen. Das erste Werk, das er für das Instrument geschrieben hat, war seine „Danza in E“ von 1919, die er ein Jahr später in seine „Suite castellana“ einband. Mit ihr begann eine viele Jahre gepflegte fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Komponisten und Segovia, eine Zusammenarbeit, die für beide Seiten erfolgreich war. Aber dass Segovia eine so beispiellose internationale Karriere vor sich hatte, konnte zu der Zeit niemand ahnen … nicht einmal, dass das mit der Gitarre überhaupt möglich war. Es gab kein nennenswertes Repertoire für das Instrument, keine akademischen Ausbildungsstätten, keine internationalen Wettbewerbe. Die Gitarre fand in der „klassischen Musik“ (noch) nicht statt … aber das sollte sich in dem beginnenden zwanzigsten Jahrhundert schnell und grundsätzlich ändern.
Man bedenke im Zusammenhang mit der Chronologie des Œuvre von FMT, dass er 1920, als er sein erstes Gitarrenstück vollendete, bereits mehrere Zarzuelas geschrieben hatte, die ausnahmslos in namhaften Theatern uraufgeführt worden waren: „Las decididas“ (UA [Uraufführung]) 1912, „Como los ojos de mi morena (UA 1919), „Las fuerzas ocultas“ (UA 1920), „Cuidado con la pintura“ (UA 1920) und „Artistas para fin de fiesta“ (UA 1920) – als diese Bühnenwerke aufgeführt wurden, war der Komponist gerade neunundzwanzig Jahre alt oder jünger! FMTs letztes große Bühnenwerk wurde am 11. Oktober 1966 im Teatro Maravillas uraufgeführt: „Ella – lírico dramático“. Jetzt war Federico Moreno Torroba fünfundsiebzig Jahre alt und stand am Ende seiner Karrriere.

 Federico Moreno-Torroba
Sonata-Fantasía and the early guitar works
Pietro Locatto, guitar
Aufgenommen im September 2017 und September 2018
Gitarre: Luigi Locatto, Pino Torinese, 2003 (nach Enrique García, Barcelona 1904)
STRADIVARIUS STR 37127, im Vertrieb von Note1 -Music
KORREKTUR: Vertrieb ab sofort bei NAXOS!

… Und er beweist, dass er spanisch denken, fühlen und musizieren kann …

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Federico Moreno Torroba (1891–1982) war kein Gitarrist, sondern hauptsächlich bekannt für seine Zarzuelas. Zarzuelas (auch „Sarsuelas“) sind nicht nur Fischgerichte, wie sie vornehmlich in Katalonien angeboten werden, es sind „eigentlich“ Singspiele, die vereinfachend gern als „spanische Operetten“ bezeichnet werden. Emilio Casares Rodicio schreibt in der zweiten Auflage der MGG: „Die Zarzuela ist eine spanische Bühnengattung mit sowohl gesungenem als auch gesprochenem Text. Nach ihrer Entstehung als höfisches Drama im 17. Jahrhundert durchlebte sie eine wechselvolle Entwicklung und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zum städtischen Massenschauspiel. Der Begriff zarzuela („Brombeersträuchlein“) leitet sich vermutlich von dem von Brombeersträuchern umgebenen Palacio de la Zarzuela (bei Madrid) ab, wo die ersten Zarzuelas aufgeführt wurden.“ [Art. „Zarzuela“ in MGG2, Sachteil Bd. IX, Sp. 2137–2148].

Da die Ihnen vorliegende Zeitschrift „Gitarre & Laute ONLINE“ und nicht etwa „Oper und Operette“ heißt, handelt der folgende kurze Beitrag ausschließlich von Gitarrenmusik – die hat Federico Moreno Torroba nämlich auch geschrieben, nachdem er Andrés Segovia kennengelernt hatte. Das war 1918, wie Walter Aaron Clark und William Craig Krause, die Autoren des schnell zum Standardwerk avancierten Buches über den Komponisten [Federico Moreno Torroba – A Musical Life in Three Acts, New York 2013] vermutet haben. Das Buch wird hier noch Thema sein!

Beethoven on GuitarBeethoven on Guitar
Volker Höh, Gitarre; Dimitri Ablogin, Fortepiano, Verena Schoneweg, Violine; Harald Schoneweg, Viola
Werke von Ludwig van Beethoven
Aufgenommen zwischen Februar und März 2019
Instrumente: Fortepiano von William Jurgenson 1988 nach Nannette Streicher, Wien 1814; Violine von Gagliano 1741; Viola von Carlo Ferdinando Landolfi 1737; Gitarren von Johann Anton Stauffer
NAXOS 8.551409
… würdige Äußerungen zum Beethovenjahr …

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Adelaide: Beethoven and the Guitar
Izhar Elias und Fernando Cordas, Gitarren, Zefira Valova, Violine, Ivan Iliev, Viola
Werke von Ludwig van Beethoven
Aufgenommen im April 2013, erschienen ℗ 2013
Gitarren von Guadagnini und Johann Anton und Johann Georg Stauffer
BRILLIANT CLASSICS 94631
… nur positive Würdigungen …

Beethoven and the guitar

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Es gibt von Ludwig van Beethoven tatsächlich ausreichend Spielmaterial für Gitarre oder Mandoline, um eine ganze CD zu füllen! Und dass es hochkarätige Musik ist, die der Rheinländer uns da vermacht hat, muss nicht betont werden. Ein zentrales kammermusikalisches Werk aus seinem Œuvre ist sogar darunter, das dann auch beide Gitarristen (Volker Höh und Izhar Elias) mit ihren jeweiligen musikalischen Partnern aufgenommen haben: die Sérénade D-Dur op 8. Diese Komposition hat Matanya Ophee vor einigen Jahren neu herausgegeben – unter Bezug auf eine frühe Bearbeitung für Violine, Gitarre und Viola, die Wenzeslaus Thomas Matiegka (1773–1830) 1807 angefertigt hat. Die Erstausgabe in der ursprünglichen Besetzung für Violine, Viola und Cello ist schon 1797 bei Artaria in Wien erschienen.
Hugo Riemann beschrieb Beethovens Serenade so: „Man kann sich bei dem Verlauf des Stückes ganz wohl ein kleines Situations- oder Stimmungsbild ausmalen … Ein kurzer festlicher Marsch bezeichnet den Eingang; dann beginnt ein langsames Stück von gefälligem, im zweiten Thema dringlich einschmeichelndem Ausdruck; besonders hier ergehen sich Violine und Cello in hübschen Solopartien; auch sehnsüchtige Klage kommt zum Ausdruck, und der angehaltene Schluß scheint auf Erhörung zu warten; dieser gibt dann ein fröhlicher Menuettsatz mit einem bewegten Trio und der humoristischen Coda Ausdruck. Ein sanft klagendes liedmäßiges Adagio (d-Moll) scheint schwindender Hoffnung zu gelten, doch wird es zweimal wieder von einem munteren Zwischensatz unterbrochen. Die Spieler fassen wieder Mut, ihre Kunst zu zeigen; eine muntere Polonaise erklingt und fesselt die Zuhörer. Noch folgt ein Andante mit Variationen, über welches nun aller Liebreiz ausgegossen ist. … Die Variationen führen zu dem Einleitungsmarsch zurück, mit welchem die Sänger abziehen.“

Beethoven for two guitarsBeethoven for Two Guitars
Schneiderman – Yamaya Duo
John Schneiderman & Hideki Yamaya
© ℗ 2017
HÄNSSLER CDHC17029, im Vertrieb von Profil Medien, Neuhausen
… höchst delikat und in feinst differenziertem Umgang mit den Gegebenheiten.…

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2017, vor zwei und mehr Jahren ist diese CD entstanden – zwei und mehr Jahre vor dem großen Beethovenjahr, das gerade vor ein paar Tagen eingeläutet (oder sollte ich sagen „eingeböllert“?) worden ist. John Schneiderman und sein musikalischer Partner Hideki Yamaya waren ihrer Zeit voraus – sie haben das Ereignis vorausgeahnt. Die großen Plattenlabels, die „Gesamteinspielungen“ herausgebracht haben, übrigens auch: Die DEUTSCHE GRAMMOPHON mit insgesamt 118 CD, 2 DVD und 3 Blue-ray Audio disks, NAXOS mit 90 CD und Warner Classics mit 80 CD. Die unterschiedlichen Mengen an Tonträgern erklären sich durch hinzugekommenes Bonus-Material.
Schneiderman und Yamaya haben Kammermusikwerke des Bonner Komponisten für ihr Programm ausgewählt und für jedes einzelne angegeben, wer die entsprechenden Transkriptionen angefertigt hat. Nein, falsch, nicht in einem einzigen Fall hießen sie Schneiderman oder Yamaya! Es waren ausnahmslos Zeitgenossen Beethovens, die dessen Kompositionen für Gitarre(n) transkribiert haben. Er war halt schon zu Lebzeiten ein Superstar, ein Vollender der „Wiener Klassik“. Und kompositorisches Material für Gitarre(n) hat Beethoven nicht hinterlassen und wohl auch nie geschrieben.

Konzert bei der Familie Malfatti in WienLudwig van Beethoven wurde am 17. Dezember 1770 geboren. Das ist ziemlich genau zweihundertfünfzig Jahre her. Wo? Nein, nicht in Wien … auch, wenn er den größten Teil seiner kreativen Lebenszeit dort verbracht hat und weil Wien zur Beethoven-Zeit der klassische Wohnort für Komponisten klassischer Musik war.
Nein, Ludwig van Beethoven wurde hier, am Rhein, geboren. In dem verträumten Städtchen, das rund zweihundert Jahre später zur deutschen Hauptstadt werden sollte. Oder sollte man besser sagen, „zum provisorischen Regierungssitz“? Eine richtige Hauptstadt ist Bonn nie gewesen, keine Metropole und auch keine Kulturhauptstadt. Aber es war nach den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs und der Schoah klug, mit der neuen Regierungsstadt eher Bescheidenheit zu demonstrieren.
Aber das war lange nachdem der größte Sohn der Stadt in Bonn gelebt hatte. Jetzt wird hier, in einer Zeitschrift namens „Gitarre & Laute ONLINE“, Ludwig van Beethoven ob seines Gedenktages gewürdigt … dabei hat er – außer ein paar Petitessen für Mandoline … nichts für Zupfinstrumente komponiert.
Konrad Wölki schreibt in seiner Broschüre „Geschichte der Mandoline“ von 1979 umfänglich über Beethovens „Adagio“ Es-Dur und seine „Sonatine“ c-Moll für Mandoline und Cembalo und auf der Basis dieser Stücke legt er seinen Lesern Beethoven als Zupfmusikkomponist ans Herz … der er nie war. Später sollen noch zwei weitere Stücke Beethovens gefunden worden sein, über die dann – wie über die anderen – in eher obskuren Zeitschriften berichtet worden ist.

Bin Hu, guitar: Ciaccona
Werke von Johann Sebastian Bach
Aufgenommen im Juni 2016, erschienen: ℗ © 2018
Gitarre: Andreas Kirmse
Ediciones Eudora, Madrid EUD-SACD 1803, im Vertrieb von Challenge Records
… Bin Hu ist zweifellos eine große Begabung …

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Bin Hu CiacconaBin Hu wurde 1987 in Tianjin in China geboren. Mit elf hat er seinen ersten Gitarrenunterricht bekommen, danach hat er am Konservatorium in Beijing bei Jiajiong studiert. In Salzburg war er danach bei Marco Tamayo in der Lehre und bei Tom Patterson an der University of Arizona. Mit Johann Sebastian Bach ist er näher bekannt geworden, als er 2016 den David-Russell-Bach-Prize gewonnen hat. Russell hat sich eigentlich nie als Bach-Spezialist ausgewiesen – eher als einer für Tárrega, Barrios oder Isaac Albéniz … aber das kann sich ja geändert haben. Die üblichen Bach-Platten hat er eingespielt, aber die zeigen ihn – wie erwähnt – nicht als ausgesprochenen Spezialisten … oder ist vielleicht jeder Gitarrist irgendwie Spezialist für Johann Sebastian Bach und seine Musik? Jeder schreibt seine eigenen Übertragungen, jeder hat seine eigenen Ansichten zum Thema „Transkriptionen – ja oder nein?“
Und auf Übertragungen sind Gitarristen nun mal angewiesen, wenn sie Musik von Johann Sebastian Bach spielen wollen. Musik für Gitarre hat der Thomaskantor nie geschrieben – streng genommen nicht einmal Lautenmusik. Kathy Acosta Zavala und Bin Hu haben die Texte für das CD-Booklet geschrieben. Kathy hat wie Bin Hu an der University of Arizona studiert und arbeitet an ihrer Dissertation in den Fächern Gitarre und Musikwissenschaft.

Domeniconi Amadeus altAmadeus Guitar Duo, Dale Kavanagh
Philharmonisches Staatsorchester Halle, Dir.: Marc Piollet; Kurpfälzisches Kammerorchester, Mannheim, Dir.: Ji
ří Malát
Carlo Domeniconi: Concerto Mediterraneo, Oyun, Trilogy, Toccata in Blue, Chaconne
Aufgenommen 2017 (?), erschienen
℗ 2018
NAXOS 573977
… als Beispiel für kulturellen Austausch …

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DOMENICONI Amadeus Guitar DuoDiese CD ist zweimal erschienen … mit jeweils anderem Cover, dem gleichen Programm und dem gleichen Begleittext von Thomas-Friedrich Kirchhoff. Der wurde jedoch einmal (8.573977) nur auf Englisch und einmal (8.551386) auch in deutscher Übersetzung abgedruckt. Im Booklet der späteren Version heißt es dann schlicht „Previously released in Germany on 8.551386“. Warum die CD previously schon einmal released worden war, wird nicht erklärt.

Gegeben werden zwei Werke für zwei Gitarren und Orchester („Concerto Mediterraneo“ und „Oyun“) und drei für Gitarre solo („Trilogy“, „Toccata in blue“ und „Chaconne“) – letztere erwartungsgemäß von Dale Kavanagh dargeboten. „Koyunbaba“ ist nicht dabei – das Stück hat seine große Zeit hinter sich und ist schließlich von buchstäblich jedem (auch nur halbwegs) präsentablen Gitarristen schon einmal aufgenommen worden.

Die Aufnahme des einleitenden „Concerto Mediterraneo“ von Carlo Domeniconi ist schon 1994/1996 entstanden und im Jahr 2000 zusammen mit dem Concerto für Gitarre und Orchester von Harald Genzmer schon einmal auf CD erschienen [CD „Mediterraneo“ Hänssler 98.347].

Die „Chaconne“ von Carlo Domeniconi ist, wie der Komponist selbst schreibt, „sozusagen die Bach-Chaconne mit ausgetauschten Noten“ und das ist weder Hochstapelei noch übertriebene Bescheidenheit, denn man muss DIE Chaconne entweder selbst gespielt oder mindestens zig-mal gehört haben, um sie „mitsingen zu können“. Dann aber kann man auch die von Domeniconi – Wort für Wort, sozusagen, allerdings in einer fremden Sprache – verfolgen.

Baroque MasterpiecesArtis Guitar Duo: Baroque Masterpieces
Werke von Händel, Johann Sebastian Bach, Silvius Leopold Weiss, Vivaldi
Beteiligt als Bearbeiter: Matteo Mela & Lorenzo Michele; als b.c. (Basso Continuo): Olaf van Gonnissen & Sergio Bermudez Bellido
Aufgenommen Dezember 2017 und Januar 2018, erschienen ℗ 2019
Gitarren: Gernot Wagner
NAXOS 8.551420
… Und tugendhaft ist das Spiel des Artis Guitar Duos! …

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Barockmusik für Gitarre oder für zwei Gitarren – das lässt gleich an Johann Sebastian Bach denken, dessen Œuvre seit Dezennien von Gitarristen mangels eigenem Originalrepertoire ausgeschlachtet wird. Und Silvius Leopold Weiss und François Couperin? Beide sind bekannt für ihre Instrumentalmusik – Weiss für Lauten- und Couperin für Cembalowerke.

Bach war das universale musikalische Genie, das für alle möglichen instrumentalen Besetzungen Meisterwerke geschrieben hat, darunter Solowerke für Violine, Cello, Cembalo, Orgel und andere Instrumente. Auch Lautenwerke gibt es, die als Kompositionen von Johann Sebastian Bach gelten – deren Urheberschaft oder mindestens deren eindeutige Zuweisung zu einem Lauteninstrument allerdings umstritten sind. Wenn Bachs Lautenwerke von Johann Sebastian Bach stammen, sind sie keineswegs von ihm für das Instrument eingerichtet worden. Es sind meisterhafte Werke und nach entsprechender Bearbeitung sind sie auch auf einer Laute der Bach-Zeit spielbar.

Tatsächlich spielt das Artis Guitar Duo Bach … allerdings keine Komposition, die schon von zig Gitarristen oder Gitarrenduos gespielt worden wäre. Sie präsentieren ein mehr als bekanntes Werk des Thomaskantors, allerdings keines, das in den Hitparaden der Klassik Preise gewonnen hätte. Es ist das „Capriccio sopra la lontananza del suo fratello dilettissimo“ (BWV 992), geschrieben zur Abreise von Bachs geliebtem Bruder Johann Jacob (1682–1722), der 1704 als Oboist mit der schwedischen Armee unter Karl XII. in den Krieg zog.

manigem herzenmanigem herzen — Mittelalterliche Lieder und Gesänge in neuem Gewand
ensemble nu:n
Cora Schmeiser, Gesang; Gert Anklam, Saxophone; Falk Zenker, Gitarren und Perkussionsinstrumente
Aufgenommen zwischen 2014 und 2017, erschienen
℗ 2019
RAUMKLANG K 3901, im Vertrieb von NAXOS
Sie haben das überzeugend getan – immer den Hinweis ertragend, dass sie die meiste Musik frei erfunden haben

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Tja, das „neue Gewand“! Das Beispiel „Minnesang“ zeigt, wie schwierig es ist, zwischen „alten“ und „neuen“ Gewändern zu unterscheiden: „Die Melodien zum Minnesang sind nahezu vollständig verloren gegangen“ – schreibt Horst Brunner in seinem Artikel „Minnesang“ in MGG2, (Sachteil, Bd. VI, Sp. 310) und später: „Der Mangel an Quellen verbietet es, eine Musikgeschichte des Minnesangs auch nur im Ansatz zu schreiben“ (ebda. Sp. 311). Man bedenke, dass der Minnesang seine Blütezeit zwischen ca. 1150 und 1350 erlebte, zu einer Zeit also, als eine allgemein verbreitete Notenschrift erst entwickelt wurde. Dass Musik dieser Zeit nur handschriftlich überliefert ist, versteht sich von selbst, schließlich sind Druckverfahren und besonders das Notendrucken erst rund vierhundert Jahre später erfunden worden.

Narvaez Los Libros del delphinLuys de Narváez: Los Libros del Delphin
Xavier Díaz-Latorre, Vihuela
Aufgenommen im Dezember 2017, erschienen ℗ 2019
Instrumentarium: Tenor-Vihuela „La Aldonza“ von Carlos González 2017, Bass-Vihuela „l’Hollandaise“ von Patrick Hoopmans 1997
PASSACAILLE Records PAS 1049, im Vertrieb von Note-1
… nie mit juveniler Virtuosität protzend …

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Von Luys de Narváez stammt das zweitälteste jemals erschienene Tabulaturbuch für Vihuela de mano: Los seys libros del Delphin de música para taner Vihuela, erschienen 1538 in Valladolid. Xavier Díaz-Latorre hat jetzt sämtliche Solowerke aus diesem Band eingespielt – ein Programm von gut einer Stunde …70:04 Minuten, um genau zu sein. Vor ihm haben schon andere Musiker komplette Narváez-Programme aufgenommen: Juan Carlos Rivera (bei ALMAVIVA) zum Beispiel, Hopkinson Smith (bei ASTRÉE) und Lex Eisenhardt (bei ETCETERA) … nicht zu vergessen Pablo Marquez! Der allerdings hat das Repertoire auf der Gitarre und nicht auf der Vihuela dargeboten.

Nicht alle erwähnten Interpreten waren, was die Kompositionen von Luys de Narváez und ihre LP-oder CD-Produktionen angeht, auf Vollständigkeit bedacht – keiner eigentlich, nur will es der Zufall, dass das Œuvre von Narváez quantitativ in etwa mit der „Neunten“ von Ludwig van Beethoven übereinstimmt, wobei „quantitativ“ in diesem Fall heißt: „Was die Dauer betrifft“.

Joakim Andersson APASIONADO CDJoakim Andersson plays Agustin Barrios: APASIONADO
Aufgenommen: keine Angaben; erschienen ℗ 2018
Gitarre: René Baarslag
SPC Classics 1810
… mit fast bezaubernder Leichtigkeit …

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Joakim Andersson  hat bei Gunnar Spjuth, Göran Söllscher und Per-Olof Johnson studiert … es folgten die üblichen Meisterkurse bei Roberto Aussel, Leo Brouwer, Manuel Barrueco, Eduardo Isaac und anderen. Er hat als Mitglied des Duo Scatto eine erste CD herausgebracht (Latin Portraits, EUTERPE MUSICA/NAXOS) und jetzt sein solistisches Debüt mit Kompositionen von Agustín Barrios.
Der Komponist Agustín Barrios (1885–1944) hat, was sein Ansehen in der Musikwelt angeht, nicht nur glänzende Zeiten hinter sich gebracht. Joakim schildert in den liner-notes zu seiner CD Barrios' Wiederentdeckung durch John Williams. Er – Williams – hat 1977 eine LP mit dem Titel „John Williams plays Music of Agustín Barrios Mangoré“ (CBS Masterwork 76662) herausgebracht und sie war ein sensationeller Erfolg … weil Barrios weitaus weniger bekannt war, als er es später werden sollte. Den Boom, den der paraguayische Komponist auslöste, hatte Ende der siebziger Jahre niemand erwartet – und schon gar nicht von John Williams, der ja nie als wagemutiger Repertoire-Erneuerer bekannt gewesen ist. Außerdem haben sich vor vierzig, fünfzig Jahren einige bekannte Gitarristen nicht an Barrios herangewagt, unter anderem Andrés Segovia, der dem Paraguayar 1921 begegnet ist – allerdings, wie es heißt, ohne jegliche Konsequenzen.

Traditional Catalan Songs for Voice, Lutes and Viols
The Canigó Early Music Ensemble [Marta Garcia Cadena, Sopran;  William Waters, Barocklaute, Lyra Viol, bass viol,  Barockgitarre, Renaissancelaute;  Peter Krivda, bass vol; Satoshi Tsukada, Theorbe und Renaissancelaute; Arrangements: William Waters]
Aufgenommen im Juli  2018, erschienen ℗ 2019
BRILLIANT CLASSICS 95975
… Die CD „Traditional Catalan Songs“ sollte jeder kennen, der sich mit spanischer und katalanischer Musik befasst …

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Traditional Catalan SongsAls „urspanisch“ wird man diese Lieder empfinden, und tatsächlich sind sie es … und doch nicht. Ein Spanien im modernen Sinn hat es zur Zeit ihrer Entstehung nämlich noch nicht gegeben. Einige der Volkslieder sind aus dem Mittelalter – andere aus der Barockzeit, überliefert sind sie auf Katalanisch, der heute noch geschriebenen und gesprochenen Sprache, die in Andorra, auf den Balearen und in Valencia zum Teil als Amtssprache benutzt wird.

Einige der Lieder kennen wir, unter ihnen „La Canço del Lladre“ oder „El Testament d’Amelia“, weil sie in anderen Bearbeitungen (unter anderem von Miguel Llobet) vorliegen und gespielt werden, andere, weil sie in das jeweilige Repertoire für Laute oder Vihuela de mano eingegangen sind. Und teilweise werden sie heute noch gesungen.

Dale Kavanagh plays Rodrigo 100Dale Kavanagh plays Rodrigo
Fantasía para un gentilhombre, Junto al Generalife, Invocación y danza, Tiento antiguo, Tres piezas españolas, Zarabanda lejana
mit: Staatsphilharmonie Arad, Dirigent: Horst Bäcker
Aufgenommen 1991, 2003, 2018
Gitarren: Pepe Toldo, Alejandro, Antonius Müller
NAXOS 8.551388
… das Beste, was im letzten Jahrhundert für (klassische) Gitarre (solo) geschrieben worden ist …

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Wunderbar! Die Kompositionen von Joaquín Rodrigo, die Dale Kavanagh hier vorführt, sind Musikfreunden keineswegs fremd … aber die Generation derer, die heute „klassische Musik“ hören, ist nicht mehr dieselbe, die vor dreißig, vierzig Jahren die Konzerte von Joaquín Rodrigo gefeiert haben. Die „Fantasía para un gentilhombre“ ist immerhin schon 1954 komponiert und am 5. März 1958 in San Francisco uraufgeführt worden. Danach dauerte es ein paar Jahre, bis sich das Werk in der Musik- und besonders der Gitarrenszene durchsetzen konnte … die „Fantasía“ war spätestens Ende der sechziger Jahre in aller Munde. Die Popularität des „Concierto de Aranjuez“ hat sie nie erreicht – aber immerhin! Sie ist oft eingespielt worden, oft aufgeführt und gehört zu den populärsten konzertenten Werken für Gitarre und Orchester. Immer noch!

Paladin CD McCartneyPaladin – Alex McCartney, Lute
Aufgenommen im Oktober 2018, erschienen ℗ 2019
6chörige Laute von Luke Emmet nach Venere, Hieber und Gerle
VETERUM MUSICA VM022 [EAN 0-793611-630277]
… der Schotte mit der Laute hat wieder einmal den rechten Ton getroffen…

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Von Jean Paul Paladin (ca. 1500–1565) listet Howard Mayer Brown (Instrumental Music printed before 1600, Cambridge/Mass., 1967) zwei Tabulaturdrucke: „Tablature de Lutz“ von (ca.) 1549, und „Premier Livre de tabulature de luth“ von 1553 bzw. als Neuauflage, 1560. Alex McCartney erwähnt im Booklet zu seiner neuen CD eine weitere Quelle namens „Hortus Musicalis Novus“ von 1615. Dieser Druck steht naturgemäß nicht bei BROWN, weil er erst nach 1600 erschienen ist … allerdings findet man ihn im Quellenlexikon RISM (Répertoire International des Sources Musicales, Kassel u.a., 1975, Bd. A/I/5, Nº M2337) und natürlich im „Pohlmann“ (Ernst Pohlmann, Laute, Theorbe, Chitarrone – Die Instrumente, ihre Musik und Literatur von 1500 bis zur Gegenwart, 51982, S. 93). Mit Jean Paul Paladin hat der „Hortus Musicalis Novus“ allerdings nichts zu tun und bei genauerer Betrachtung steht das auch im Booklet: „In between the contrapuntal fanatasias by Paladin, I have included a selection of anonymous praeludiums from Hortus Musicalis Novus (1615).