Giuliani – Moscheles – Hummel
Music for Guitar and Fortepiano
Claudio Maccari, Paolo Pugliese, Giovanni Togni
Aufgenommen im Oktober 2009, erschienen 2011
Gitarre: Gaetano Guadagnini 1830; Terzgitarre: Vito & Antonio Garganese, 1880; Fortepiano: Mathias Kramer, Kopie nach Louis Doulcken (1810)
Brilliant Classics 94190
… Bravo! …
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Sorry! Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen diese vergnügliche CD so lange vorenthalten habe. Sie ist hier einfach unbemerkt geblieben, obwohl schon ihr Cover um Aufmerksamkeit gebettelt hat. Und die Musik und ihre Interpretationen erst!
Aber zunächst das Cover! Ich finde keine Legende im Booklet, auch nicht in den Informationen im Internet. Als „Hintergrundbild“ dient eine Battaglia, ein Schlachtengemälde. Es handelt sich dabei um eine Seeschlacht – die verheerende Schlacht bei Waterloo vom 15. Juni 1815 kann es also nicht gewesen sein, denn dieses Örtchen liegt ein paar Kilometer südlich von Brüssel auf dem flachen Land (heute Belgien, damals Niederlande). Napoleon Bonaparte wurde geschlagen und zum endgültigen Abdanken gezwungen.
Schon vorher, nach dem ersten Abdanken Napoleons im Jahr 1814, hatten sich Vertreter der Großmächte in Wien zusammengefunden, um eine territoriale Neuordnung zu verhandeln. Die Folgen der Französischen Revolution und ihre Regulierung waren die Themen, mit denen man sich auf dem „Wiener Kongress“ beschäftigte. Dass Bonaparte 1815 noch einmal für hundert Tage an die Macht kommen sollte, ahnte niemand … und es spielte schließlich auch keine Rolle mehr. Nach dem 15. Juni, nach Waterloo also, blieb Napoleon Bonaparte in der Verbannung auf der Insel St. Helena, wo er 1821 auch starb.
Die Musik, die auf der vorliegenden CD angeboten wird, besteht aus Stücken, die Mauro Giuliani entweder allein oder zusammen mit anderen Wiener Komponisten geschrieben hat. Besetzung: Gitarre (oder Terzgitarre) und Fortepiano. Die mitkomponierenden Kollegen: Ignaz Moscheles (1794–1870) und Johann Nepomuk Hummel (1778–1837).
Es war eine große Zeit, als die Kompositionen der vorliegenden CD entstanden … besonders für Wien, wo alle Stücke entstanden sind. Das „Gran Duo Concertant“ von Giuliani/Moscheles ist im Februar 1814 erstmalig beworben worden; die „Due Rondò“ op. 68 von Giuliani sind, so Brian Jeffery, ca. 1818/1819 veröffentlicht und das einzige Werk für diese Besetzung, das Giuliani ohne kollegiale Mitarbeit geschrieben hat; das „Grand Pot-Pourri National“ op. 94 1817/1818 und schließlich die „Variations“ über „Partant pour la Syrie“ op. 104 1819, dann aber als Solowerk. Die Pianoforte-Stimme ist erst 1840, also nach Giulianis Tod hinzukomponiert worden.
Wir reden über die Zeit zwischen 1814 und 1819, der Zeit des Wiener Kongresses und der Jahre danach. Wir wissen, dass sich zu diesem Anlass zahllose Diplomaten, Soldaten, Wissenschaftler und Politiker in Wien versammelt hatten … und all diese Menschen verhandelten nicht nur die Zukunft Europas, sie wollten auch unterhalten werden. „Der Kongress tanzt … aber er kommt nicht vorwärts“ schrieb Charles Joseph Fürst von Ligne 1814 an den Diplomaten Talleyrand.
Hier hinein, in diese Situation passt besonders das „Grand Pot-Pourri National“, das auf der CD gegeben wird. Man hört eine Musik, die wir als deutsche Nationalhymne kennen – „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Diese Musik stammte natürlich auch damals schon von Joseph Haydn, wurde allerdings mit dem Text „Gott bewahre Franz den Kaiser“ als Hymne auf Kaiser Franz II. gesungen.
Es folgt „Rule Britannia“, das mehr als patriotische Lied von Thomas Augustine Arne (1710–1778), das spätestens, seitdem es jedes Jahr während der „Last Night opf the Proms“ mindestens zweimal gesungen und aufgeführt und seitdem das auch noch – auch jedes Jahr – im Fernsehen übertragen wird, sogar hier jedermann kennt. Aus Frankreich wird „Vive Henri Quatre“ eingefügt, dann ein Bolero usw. usw. Dies ist keine Kabarettnummer, keine amüsante Reihe von Parodien, hier kommt Nationalstolz zum Ausdruck und die Freude, dass Napoleon und seine Kriege überdauert waren. Und es ist gut geschrieben! Wie die anderen Kompositionen des Programms, übrigens auch.
Wie weit Hummel und Moscheles und wie weit überhaupt Mauro Giuliani mitgewirkt haben, wissen wir nicht. Hummel und Moscheles waren Pianisten – das könnte ein Hinweis sein.
Die Besetzung von Fortepiano und Biedermeier-Gitarre und geradezu ideal. Da muss nichts von der Tontechnik geschönt werden – da hören wir natürliches Gleichgewicht! Dass nun für diese Aufnahme auch noch Musiker zusammengearbeitet haben, die sich einig sind, die sich musikalisch ohne Diskussion zu verstehen scheinen, ist ein Glück und – man hört’s! Das „Gran Duo Concertant“ von Giuliani/Moscheles ist sicher das gewichtigste Stück des Programms. Spielerische Leichtigkeit; tiefe, große Romantik; quirlige Virtuosität und schließlich innovative Ideen, was Formen und Instrumentierung angeht … alles vorhanden! Und Claudio Maccari und Paolo Pugliese werden dem gerecht, sie füllen all das mit Leben! Auch das Hymnische im „Grand Pot-Pourri National“. Bravo!