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Best of Guitar Classics KLEINHegel, Martin (Hrsg.): Best of Guitar Classics
Werke von Fabritio Caroso, Francis Cutting, Luis Milan, Luys de Narváez und anderen
108 S., Bachformat, Fadenheftung
Mainz u.a., Schott Music, 21016, ED 22060, ISMN 979-0-001-20194-0, € 18,–

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Wenn bei einem Verlag wie Schott Anthologien mit musikalischem Spielmetarial herauskommen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich verlagseigene Kompositionen in der jeweiligen Auswahl befinden, groß. So ist es auch bei dieser üppig ausgestatteten Ausgabe, die Martin Hegel herausgegeben hat … die mir allerdings die eine oder andere Frage aufgibt.

Beispiel 1: Ganz am Schluss der Sammlung steht Hans Werner Henzes „Tento I »Du schönes Bächlein«“ aus seiner „Kammermusik 1958“, erschienen – wie alles, was Henze je geschrieben hat – bei Schott. Die praktische Ausgabe der „Tentos“ ist dort 1960 herausgekommen (ED 4886) und zwar „Eingerichtet von Julian Bream“.
Die Ausgabe von Hegel weicht in zahlreichen Details von der ursprünglichen Edition ab … allerdings, ohne das im Einzelfall anzugeben. Geht nicht! Wenn man schon verbessern will, dann muss man seinen Kunden sagen, wo man das tut und warum!

Beispiel 2: Die „Chaconne des Harlequins“ aus „Le Bourgeois gentilhomme“ von Jean-Baptiste Lully im Arrangement von Robert de Visée (S. 28–29) trägt die Fußnote: „aus: Baroque Guitar Anthology 3, SCHOTT 13466“. Und tatsächlich: Dort, in der Ausgabe von SCHOTT-London, steht die Chaconne auch, allerdings expressis verbis „Transcribed and edited for guitar by Stuart Willis“, dessen Name in der Ausgabe von Hegel nicht erwähnt wird. Nicht einmal in einer Fußnote! Einen Kritischen Bericht gibt es natürlich auch nicht!

Beispiel 3: Joaquín Turina: Fanganguillo. Hier gibt Martin Hegel in einer Fußnote die Information: „aus/from J. Turina, Obras para Guitarra (Urtext), Schott ED 9540“. Dass diese Ausgabe auch erst 2009 erschienen ist. und dass für sie der Herausgeber Marián Álvarez Benito verantwortlich zeichnet, das erwähnt Herr Hegel nicht! Auch nicht, wo und warum seine Ausgabe vom (im gleichen Verlag) publizierten Urtext so weitreichend abweicht. Ich verstehe nicht, dass Herausgeber, wenn schon Urtext-Ausgaben zur Verfügung stehen, von diesen abweichen, sich aber gleichzeitig in Fußnoten auf sie beziehen und sich dabei nicht mit ihnen auseinandersetzen.

Beispiel 4: Von der „Barcarole“ aus der „Cavatine“ von Alexandre Tansman wird hier eine Urtext-Version verwendet und die hat, wie Urtext-Versionen eigentlich immer, einen Herausgeber. Er wird, es muss kaum noch erwähnt werden, bei und von Hegel nicht erwähnt.
Es geht natürlich zu weit zu verlangen, die Urtext- und die neue Ausgabe müssten (womöglich vom Rezensenten) miteinander verglichen werden, um herauszufinden, wie weit sie voneinander abweichen. Geht nicht! Die Anthologie von Martin Hegel enthält eine wunderbare Auswahl aus dem gängigen Repertoire für Gitarre. Die Stücke entsprechen – mit eins zwei Ausnahmen – den Schwierigkeitsgraden, die der Herausgeber vorgibt. Alles gut! Nur hätte der Herausgeber mit Angaben über Herausgeber und über editorische Eingriffe in das jeweilige Original vorsichtiger sein sollen … und dabei fällt mir ein weiteres Beispiel auf.

Beispiel 5: Auf Seiten 42–43 steht „El Sueño“ von José Viñas und als Fußnote liest man „©2016 Schott Music GmbH & Co KG, Mainz“. Da José Viñas (1823–1888) schon deutlich länger als siebzig Jahre tot ist, kann Schott nicht per Vertrag mit dem Urheber der Inhaber der Urheberrechte sein, sondern höchstens über einen Herausgeber oder Bearbeiter … dessen Name von Martin Hegel aber nicht genannt wird. In seiner Ausgabe ist nur er selbst als der Generalherausgeber der Sammlung angegeben – aber wer hat die einzelnen Kompositionen oder die bekannten Bearbeitungen bearbeitet – hier beispielsweise „El Sueño“ von José Viñas?

Die neue Ausgabe von Martin Hegel wird jeder Gitarrist in seiner Sammlung haben wollen. Gut so!
Hier ist stichwortartig der Inhalt (entnommen der Katalogseite bei Schott Music):

F. Caroso: Spagnoletta
F. Cutting: Greensleeves
L. Milán: Pavana IV
L.de Narvaéz: Diferencias sobre „Guardame las vacas
J. H. Kapsberger: Toccata arpeggiata
J. Dowland: Tarleton’s Riserrectione
J. Dowland: My Lady Hunsdon´s Puffe
J. Dowland: The Frog Galliard
A. Mudarra: Fantasía X
F. da Milano: Fantasia de mon triste
E. G. Baron: Bourrée
G. Zamboni: Preludio
S. de Murcia: Fandango
G. Sanz: Canarios
J.-B. Lully: Chaconne des Harlequins
D. Kellner: Phantasia D-Dur
S. L. Weiss: Fantasie
J. S. Bach: Gavotte en Rondeaux
J. S. Bach: Bourrée
J. S. Bach: Prélude in C
F. Carulli: Andante in La minore
E. J. Vinas: l Sueño
N. Coste: Leçon No. 24
M. Carcassi: Étude No. 3
Anonymus: Romanza d´Espagna
E. Giuliani-Guglielmi: Preludio No. 1
J.K. Mertz: Love Song
M. Giuliani: 6 Variations
F. Sor: Variations on a theme by Mozart, op. 9
F. Tárrega: Capricho Árabe
F. Tárrega: Recuerdos de la Alhambra
F. Tárrega: Lágrima
J. Ferrer: Tango No. 3
I. Albéniz:: Asturias
P. A. Iparraguirre: Nardo
J. S. Sagreras: Maria Luisa
C. Pedrell: Página romántica
Traditional: Malagueña
A. B. Mangoré: Sueño de la muñequita
A. Tansman: Barcarole
M. Llobet: El Noi de la mare
M. M. Ponce: Preludio in A
F.M. Torroba: Fandanguillo
J. Pernambuco: Sons de Carrilhões
J. Turina: Fandanguillo
Traditional: El Vito
R. Smith Brindle: Allegretto
L. Brouwer: Danza Caracteristica
T. Takemitsu: Slightly fast
H. W. Henze: Du schönes Bächlein

Und doch: Ich wüsste gern, mit wem ich es zu tun habe und wer was an der Musik, die ich spielen möchte, beeinflusst hat … und wenn es nur ein Fingersatz, ein Akzent oder eine dynamische Anweisung ist!