Achtzig Jahre ist er geworden, der Künstler Antonio Máro und weder ihm noch seinen Bildern, Skulpturen und Zeichnungen sieht man das an. Chapeau! Nun werden anlässlich des Geburtstages hie und dort Máro-Ausstellungen veranstaltet. Im belgischen Eupen zum Beispiel, der Wahlheimat des Peruaners, und in Köln. Dort hält die Galerie Reitz in der kunstnahen St. Apern-Straße (www.galerie-reitz.com) noch bis Mitte Januar 2009 eine Auswahl an Werken des vielfach ausgezeichneten lateinamerikanischen Malers bereit, expressive, mittelformatige Sinfonien in Farben. Sehr flächig und ostentativ, fremd und doch in ihrer Einfachheit und Direktheit vertraut. Besuche an beiden Orten, in Eupen, ein paar Kilometer von Aachen entfernt, und in Köln, sind auf jeden Fall zu empfehlen … obwohl "multimediale Vergnügungen", welche die Künstler der Familie Antonio Máros auch bieten, für die nächste Zukunft erst einmal nicht auf dem Programm stehen.
Antonio Máro hat zwei Söhne, der eine heißt Rafael Ramírez, der andere Alexander Sergei Ramírez … und hier ist die Erklärung dafür, dass dieser Bericht in einem Blog namens "GL-Blog" erscheint. Rafael ist bildender Künstler wie sein Vater und arbeitet auch mit ihm zusammen und Alexander ist Gitarrist – zusammen mit Joaquín Clerch Professor an der Düsseldorfer Hochschule und somit Nachfolger von Maritta Kersting. Am 4. Dezember spielte Alexander ein Soloprogramm in den Räumlichkeiten der Galerie Reitz, inmitten der Bilder seines Vaters und auch ihm zu Ehren.Alexander Ramírez spielte vor einem Publikum, das anders besetzt war, als das sonst bei Gitarren-Recitals üblich ist. Hier saßen keine Kollegen vor dem Musiker, hier waren es Kunstfreunde. Alle handverlesen und eingeladen durch die Galeristen. Das heißt, hier konnten auch Schlachtrösser wie Carlo Domeniconis "Koyunbaba" präsentiert werden, ohne damit erfahrenen Gitarren-Hörern auf die Nerven zu gehen. Ramírez erreichte im Gegenteil mit "Koyunbaba" das Gewollte: Begeisterung und bewundernde Blicke ob seiner Virtuosität.
Aber der Run auf "Koyunbaba" hat in letzter Zeit etwas nachgelassen. Das außerordentlich attraktive und wirkungsvolle Stück war vor ein paar Jahren aus KEINEM Bühnen- oder CD-Programm wegzudenken. Inzwischen haben die Gitarristen sich anderer Repertoire-Highlights besonnen … nebenbei bemerkt, kann keines an "Koyunbaba" tippen. Das war ein Treffer, wie ein Komponist ihn nur einmal erzielt!
Anonsten beschrieb das Programm von Alexander Sergei Ramírez eine Weltreise: In Brasilien ging es los mit der Kadenz aus Villa-Lobos' Gitarrenkonzert und einigen Etüden. Dann der Blick nach Peru, dem Geburtsland von Antonio Máro: ein paar Stücke aus der erst jüngst wieder gefundenen Handschrift "Lima 1786", einer sehr späten Quelle für Gitarrenmusik, die in Tabulatur (Cifra) aufgeschrieben worden ist.Dann Joaquín Turina und "Leyenda de España" … nicht von Albéniz, sondern von Barrios, der ganz offenbar "Asturias" gekannt hat. Als erste Zugabe spielte Ramírez schließlich das "Original": Albéniz' "Leyenda". Aus Japan wurden Variationen von Kirschblüten von Yokoh aufgetischt und schließlich die türkische Pastorale "Koyunbaba".
Das Programm und Alexander Ramírez' Spiel haben begeistert! Er ist ein "Gitarrist des großen Tons" und des Legato. Die Meisterschaft, Akkordreihungen und Melodien "volley" zu spielen und so deren Bestandteile wirklich aneinander zu binden, beherrschen nicht viele Gitarristen. Dabei ist es gerade diese "Technik", die das Instrument zum Klingen bringt. Der große Segovia hatte einen wunderbaren, wandelfähigen, Ton … aber legato spielte er nur in Einzeltonfolgen. Aneinanderhängende Akkorde, wie sie beispielsweise oft in Villa-Lobos-Etüden vorkommen, akzentuierte er so, dass man den Eindruck hatte, dass ein Legatospiel fehl am Platz ist … wenn er nicht ohnehin Mehrklänge in ihre Einzelteile zerlegte und arpeggierte, um damit ein "quasi-legato" zu ereichen. Aber hier, an diesem Abend, hörte ich eine große, voll und frei klingende Gitarre, die auch einen größeren Konzertsaal leicht mit Klang gefüllt hätte. Bravo, diese postsegovianische Generation von Gitarristen zeigt erst, was der Maestro aller Klassen erreichen wollte.
Es war ein kleines Konzert in kleinem Saal, aber es war ein großer Musiker!
Alle Fotos dieses Beitrags: © Friedhelm Grosse