Otto Tolonen: tiento français
Werke von Ibert, Samazeuilh, Auric, Tailleferre, Milhaud, Poulenc, Ohana, Migot u.a.
Aufgenommen im Juni und September 2012
ALBA Records ABCD 357, in Deutschland bei Klassik Center, Kassel
… Otto Tolonen tritt leidenschaftlich für die Stücke seines Programms ein …
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Otto Tolonen hat für diese CD ein exzeptionelles Programm zusammengestellt. Er ist zwar nicht der Erste, der Kompositionen unter einem Motto wie „Souvenir de Paris“ oder „Paris Guitare“ zusammengefasst hat, ich habe aber noch kein CD- oder Konzertprogramm unter einem ähnlichen Motto gesehen resp. gehört, das so geschlossen und ausgewogen auf der einen und abwechslungsreich auf der anderen Seite ist. Ein paar Dauerbrenner der Gitarrenmusik verstecken sich zwar in dem Programm, zum Beispiel „Segoviana“ von Darius Milhaud (1892—1974) oder die hinreißend schöne „Sarabande“ von Francis Poulenc (1899—1963), aber selbst diese Stücke sind weitaus weniger abgedroschen, wie es manches spanische oder lateinamerikanische Highlight des Repertoires ist.
Nur eines der Werke der CD ist eine Transkription – „Gnossienne“ Nº 1 von Erik Satie (1866—1925) – nur eines ist von einem nicht-französischen Komponisten – „Collectici intim“ von Vicente Asencio (1908—1979) … und der, Asencio, war derartig durch und durch Spanier, dass er sich nicht einmal während des Bürgerkriegs aus seinem Land vertreiben ließ. Er blieb und schrieb unverkennbar spanische Musik.
Allerdings hätten die Stücke der „Collectici intim“ auch in Frankreich entstehen können. Paris war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhunderts so etwas wie die Kulturhauptstadt Europas, in der künstlerische Einflüsse aus aller Welt zusammenflossen. In Paris war der Impressionismus begründet geworden, dessen Ideen sich in der bildenden Kunst und in der Musik wiederfinden – gleichzeitig war die Stadt Hauptschauplatz der künstlerischen Avantgarde. Es ist kein Zufall, dass ebendort am 29. Mai 1913, also vor ziemlich genau hundert Jahren, Strawinskis „Sacre du Printemps“ uraufgeführt worden ist und es ist auch kein Zufall, dass nach der Aufführung im Théâtre des Champs-Élysées heftige Diskussionen entbrannten.
Die „Groupe des Six“, eine Komponistengruppe, der von den Komponisten dieser CD immerhin vier angehörten (nämlich Auric, Milhaud, Poulenc und Tailleferre (1892—1983) – die beiden anderen waren Louis Durey und Arthur Honnegger), sprach sich zwar unisono gegen die neoromantische und die impressionistische Musik und für die Avantgarde aus, die Werke aber, die ihre Mitglieder für Gitarre hinterlassen haben, sind eher zurückhaltend modern bis romantisch. Man hört auch – hie und dort in der Serenade von Gustave Samazeuilh (1877—1967) zum Beispiel – Passagen, die an impressionistische Kompositionen erinnern. Immerhin hat Samazeuilh das Komponieren bei Maurice Ravel gelernt.
Es ist, ist sage es noch einmal, ein exzeptionelles Programm, das Otto Tolonen uns da vorführt – mit Stücken, bei denen man sich fragt, warum sie nicht häufiger gespielt werden. Dazu zähle ich „Hommage a Alonso Mudarra“ von Georges Auric (1899—1983) und sicherlich Georges Migots (1891—1976) „Pour un Hommage à Claude Debussy“. Beides sind originale Kompositionen für Gitarre … aber werden höchst selten (bis überhaupt nicht) gespielt.
Otto Tolonen ist ein sehr klangbewusster Gitarrist, einer, dem ein ausgewogenes Bild wichtiger ist, als virtuose Schaumschlägerei. Das wird schon deutlich in der „Française“ von Jacques Ibert (1890—1962) gleich am Anfang. Dieses Stück ist durchaus fordernd, ja, aber es ist der „Witz“ dieser Musik, den Tolonen, seinen Zuhörern vermitteln will. Es handelt sich um eine Komposition von gerade einmal dreieinhalb Minuten Dauer: permanente Bewegung, ein ständiges Auf und Ab gespickt mit Überraschungen. Banalitäten zum Teil, aber das ständige Wechseln von einer Sphäre in eine andere, von einer Assoziation zu einer nächsten machen den Reiz des Stücks.
Otto Tolonen tritt leidenschaftlich für die Stücke seines Programms ein. Sie verdienen auf jeden Fall größere Popularität!