la Mandoline Baroque
Duo Spirituoso: Florentino Calvo, Mandoline; Maria Lucia Barrios, Clavecin
Werke von Michel Corrette, Carlo Cecere, Francesco Maio, Gabriele Leone, Tomaso Prota, Giovanni Battista Gervasio, Pietro Denis
Aufgenommen im Oktober 2010, erschienen 2012
Disques Pierre Verany PV712061, in Deutschland bei Note1
… mit großem, hörbarem Vergnügen an der Musik …
♦♦♦
Der Mandolinist Florentino Calvo hat bei Alberto Ponce Gitarre studiert und später in Argenteuil bei Mario Monti Mandoline. Monti (21.2.1923—27.07.2006), nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten gleichen Namens, war ein Pionier der Mandolinen-Renaissance in Frankreich. Er hat ein bekanntes Zupforchester gegründet, die Estudiantina d’Argenteuil. Florentino Calvo wurde sein Nachfolger als Leiter des Orchesters, als Monti sich 1991 zur Ruhe setzte. Heute unterrichtet er an der Musikschule von Argenteuil, gleichzeitig an verschiedenen französischen Hochschulen.
Die Stücke, die auf der CD versammelt sind, stammen – bis auf eine Sonate von Michel Corrette (1707—1795) – von italienischen Komponisten. In Italien, besonders in Neapel, hatte die Mandoline gegen Mitte des 18. Jahrhunderts eine hohe Blüte erlebt, eine Akzeptanz und Begeisterung, die schließlich mit dem neuen italienischen Musikstil auch nach Frankreich wanderte. Dort wurde die Mandoline schnell so beliebt, dass Bedarf für Lehrbücher zu verzeichnen war, mit deren Hilfe man das Spiel des populären Instruments erlernen konnte. Ein sehr verbreitetes ist von Michel Corrette überliefert: „Nouvelle méthode pour apprendre à jouer en très peu de temps de la mandoline“ (Paris 1792). Aus ihm stammt die Sonate C-Dur, die auf der CD als erstes Stück zu hören ist.
Der „galante Stil“, der Mitte des 18. Jahrhunderts den Übergang von der steifleinenen Barockmusik zu vorklassischen und schließlich „klassischen“ Formen und Schreibweisen markierte, er bot für die Mandoline Spielmaterial. In die nonchalante Leichtigkeit, die bei einem galant-homme vorausgesetzt wurde, passte dieses neue Instrument. Empfindsamkeit; kürzere, sequenzierte Melodiephrasen; eine gewisse Unverbindlichkeit und Unschwere … in diesen Idealen und Forderungen fand die Mandoline nachvollziehbar ihre Rolle – jedenfalls, was diese Episode der Musikgeschichte angeht.
Was die Kompositionen angeht, die auf der hier geschilderten CD zu hören sind, bilden sie die Unentschlossenheit vieler Komponisten des 18. Jahrhunderts ab. Zum einen gibt es Werke, die noch barocken und sogar benennbaren, barocken Traditionen verpflichtet sind – zum anderen solche, die das noch völlig unentwickelten Virtuosentum des kommenden Jahrhunderts vorzuahnen scheinen.
Dass die Mandoline hier, in der Zeit des Galanten, eine hohe Zeit erlebt hat, überrascht vielleicht nicht. Dass sie danach wieder höchstens zur Bereicherung von Klangfarben eingesetzt wurde, auch nicht. Ihr metallener, durchdringender und kaum modifizierbarer Klang lässt kaum klangliche Möglichkeiten zu, die eine dauerhafte Anerkennung als Kulturinstrument unterstützt hätten. Wie die beiden Musiker aber im Booklet ihrer CD erklären, wurde das Emporkommen der Mandoline durch ein im Frankreich dieser Zeit herrschendes Faible für Exotisches und ein Interesse an seltenen Instrumenten gefördert, an „Mandoline, Gitarre, Dudelsack und Drehleier“ nämlich.
Die vorliegende CD erlaubt, einen Eindruck von der Mandolinenmusik des 18. Jahrhunderts zu gewinnen … die im Titel als „barock“ bezeichnet wird. Barockmusik ist es freilich nicht, die man zu hören bekommt, es ist Musik, die irgendwo zwischen den stilistischen Blöcken „Barock“ und „Klassik“ entstanden ist und die stilistische Eigenschaften dieser Zeit und dieses grundsätzlichen Wandels zeigt. Außerdem ist es Musik, die unmittelbar vor dem revolutionären Umsturz von 1789 entstanden ist. Die Mandoline ist nie ein royales Instrument gewesen und die Musik, die das Duo Spirituoso vorführt, kann ich mir auch schwer in Versailles vorstellen.
Den beiden Instrumentalisten, Florentino Calvo und Maria Lucia Barros, kann man für die vorliegende CD nur danken! Sie gewähren Einblick in ein Kapitel Musikgeschichte, das ebenso interessant wie verborgen ist. Und sie tun das mit großem, hörbarem Vergnügen an der Musik.
Das Orchester übrigens, von dem anfänglich die Rede war, Estudiantina d’Argenteuil, ist noch sehr aktiv, wie in YOUTUBE zu sehen und zu hören ist!