Claudine Nightingale (Hrsg.): British & International Music Yearbook 2012
London 2012, Rhinegold Publishing, € 49,99
Tobby Deller (Hrsg.): British Music Education Yearbook 2012
London 2011, Rhinegold Publishing, € 63,99
Ein Londoner Verlag mit dem typisch britischen Namen „Rhinegold Publishing“ gibt seit vielen Jahren musikalische Adressbücher heraus (Scherz!) Es sind natürlich keine musikalischen Adressebücher, sondern Branchenbücher mit Adressen zum Thema Musik. Das „British & International Music Yearbook“ liegt immerhin schon in achtunddreißigster Auflage vor!
Keith Clarke blickt zunächst auf das Jahr 2011 zurück und beklagt die ökonomische Krise: „the deepening economic crises created bigger challenges than ever“ [S. 12]. Er bringt viele Beispiele an, darunter die „London Mozart Payers“, denen unter materiellem Druck ein Essen im Buckingham Palace ausgerichtet worden ist, das die finanziellen Nöte erst einmal befriedigt hat – natürlich nicht, weil die Queen in die Tasche gegriffen hätte, sondern weil das unter den Umständen genug andere Sponsoren getan haben.
Weiteren britischen Orchestern und Einrichtungen ging es ähnlich, aber sie fanden andere Wege. Das City of Birmingham Symphony Orchestra, immerhin lange Jahre Brötchengeber von Sir Simon Rattle, musste Gehaltskürzungen bei seinen Mitgliedern durchsetzen, und auch das BBC-Philharmonic hatte Schwierigkeiten. Neben allen finanziellen Nöten ist dieses angesehene Orchester auf einer Konzerttournee durch Japan in die Auswirkungen des Erdbebens von Fukushima geraten und musste nach England evakuiert werden. Keiner wurde verletzt … zur gleichen Zeit sind in Japan 18.000 Menschen ums Leben gekommen.
Keith Clarke berichtet weiter kurz über das Schicksal des englischen Plattenlabels EMI. Die Bank des Unternehmens, Citigroup, hat Kontrolle über die Geschäfte übernommen und schließlich die Firma in zwei Teile geteilt: Einen hat UNIVERSAL MUSIC übernommen, den anderen ein Konsortium unter SONY. UNIVERSAL MUSIC besitzt jetzt die Rechte an den Tonaufnahmen, SONY die Aufführungsrechte. Je Unternehmen sind dabei rund 1,2 Milliarden £ bezahlt worden.
Aber da Lamento umfasst nur zwei von insgesamt über 490 Seiten. Die anderen füllen Adressen, vornehmlich britische Adressen, aber auch internationale. Konzertagenten für klassische Musik und/oder Jazz und Weltmusik; Orchester; Opernhäuser, Musiktheater; Chöre. Später dann Dirigenten, Komponisten, Instrumentlisten etc., Instrumentenhersteller, Musikverlage, Musikschulen.
Tausende von Adressen werden vor den Lesern ausgebreitet, tausende Adressen mit allen Informationen, die der moderne Mensch braucht. Aber halt! Wenn Sie vielleicht die private Anschrift des einen oder anderen berühmten Musikers suchen … je bekannter die Musiker sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie an die jeweilige Konzertdirektion oder an das jeweilige Plattenlabel verwiesen werden. Oder an die Homepage … und spätestens dann stellt man sich die Frage, ob solche Adressbücher nicht ohnehin purer Anachronismus sind. Wer braucht noch Adressbücher, wo man doch buchstäblich jeden im Internet findet? Und findet man nicht die Adressverzeichnisse von Rhinegold auch im Internet?
Man findet! Allerdings nicht kostenlos, sondern im Download für eine Gebühr von ungefähr der Hälfte des Preises für die farbige Printausgabe. Farbige Printausgabe? Ja, tatsächlich, es gibt auch eine schwarz/weiße gedruckte Ausgabe und auch die kostet die Hälfte. Nun braucht man für Adressverzeichnisse keinen Vierfarbendruck, es sei denn, irgendwelche Angaben würden ob ihrer besonderen Wichtigkeit in rot oder blau gedruckt. Ist aber nicht der Fall! Dafür sind die zahlreichen Anzeigen in Farbe. Anzeigen von Eleftheria Kotzia zum Beispiel bis zum London Harpsichord Ensemble, vom Rose Consort of Viols bis Boosey & Hawkes.
Für Listen von Adressen, die man auch über das Internet herausfinden kann und für Bücher, die sich über Anzeigen längst finanziert haben, sind die Rhinegold Directories zu teuer! Schade! Es macht Spaß, eines der Bücher in die Hand zu nehmen und darin zu blättern und man findet auch immer wieder Namen und Adressen, über man schon lange nicht mehr gestolpert ist, die einen aber interessieren. Aber für knapp fünfzig Pfund? Teuer!
Der zweite Band von Rhinegold Publishing, den wir vorstellen möchten, ist noch teurer. Knapp vierundsechzig Pfund für ein insgesamt deutlich dünneres Buch. Naja, Bildung war schon immer teuer! Musikschulen, Musikhochschulen, Konservatorien. Jugendorchester und Bands, Jugendopern und Musiktheater. Musikalienhändler und Instrumentenmacher.
Außerdem haben die Briten immer schon einen Sinn für Humor gehabt. Ein Kapitel (S. 132-133) ist überschrieben mit „Preparing for the Outside World“. Dort werden allerdings keine Hinweise dafür gegeben, wie sich britische Musiker „on the continent“ oder „in Europe“ zu benehmen haben. Es werden keine Überlebenstipps gegeben wie „Look left!“, wenn man eine Straße überqueren will. Nein, und doch sind es Überlebenstipps: Wie kann man staatliche Stipendien beantragen und was muss man tun, um sie auch zu erhalten?
Wer in Großbritannien ein Musikinstrument erlernen möchte oder wer dort Musik studieren will, der kommt an diesem Buch nicht vorbei. Wer aber den Band „British & International Music Yearbook“ schon hat, sollte sich ernsthaft überlegen, ob er „British Music Education Yearbook 2012“ auch noch anschafft. Jede Menge Adressen sind doppelt, ganze Unterverzeichnisse sind aus dem „Music Yearbook“ übernommen.
Und: Der Verlag „Ashley Mark Publishing Company“ ist enthalten, nicht aber deren Zeitschrift „Classical Guitar“. How come? Muss man sich im Rheingold eventuell einkaufen um mit seinen Produkten in den Jahrbüchern vertreten zu sein?